Die NRA ist eine der bekanntesten und zugleich eine der mächtigsten Lobbyorganisationen der Welt. Manch einer wünscht sich daher eine vergleichbare Organisation in Deutschland oder Europa, welche die Interessen von Waffenbesitzern gegenüber politischen Instanzen vertritt. Im neuen Magazin „Jäger“ 6/2014 beziehen wir kurz Stellung, wieso wir eine Vereinigung nach Vorbild der NRA in Deutschland für wenig zielführend halten. Zusätzlich skizzieren wir in diesem Artikel kurz die Geschichte der NRA und möchten damit weiterführend zur Diskussion beitragen.

Die Gründerjahre von 1871 bis 1900

Die NRA wurde 1871 in den USA von zwei ehemaligen Offizieren der Unionsarmee nach dem Sezessionskrieg (1861-1865) gegründet. General George W. Wingate und Oberst William C. Church schufen einen Verein, den sie zunächst als Schützenverein formten. Beide Männer hatten zuvor im Amerikanischen Bürgerkrieg Erfahrungen mit der mangelhaften Treffsicherheit von Gewehrschützen gesammelt und diese versucht in Folge der industriellen Weiterentwicklung weitreichenderer Gewehre zu verbessern. George W. Wingate verfasste 1867 als Hauptmann der A Company, 22nd regiment, New York National Guard die erste Vorschrift mit Regeln für das Erlernen von Schießfertigkeiten. William C. Church begründete 1863 bereits „The Army and Navy Journal“ und verlegte ab 1866 das „Galaxy Magazine“. Aus der gemeinsamen Kooperation der beiden Männer ging am 17. November 1871 die „National Rifle Association of America“ hervor.

Die Vereinigung hatte es sich zum Ziel gesetzt, allen Soldaten und Bürgern das Schießen mit einem modernen Gewehr auf Basis wissenschaftlicher Methoden beizubringen. Damit sollten Schützen eine hohe Treffsicherheit erzielen, die noch während des Bürgerkrieges unter allen Soldaten sehr mangelhaft war.

Ab 1872 wurde mit finanzieller Unterstützung des Staates New York die „Creedmoor Range“ auf der ehemaligen „Creed Farm“ auf Long Island errichtet. Ab 1873 wurde auf dem Gelände der Ausbildungs- und Übungsbetrieb aufgenommen, der seinen Höhepunkt in jährlichen Wettbewerben fand. Weiterhin wurde 1872 die von George W. Wingate verfasste „Vorschrift für Gewehrübungen“ erlassen. Die Förderung des Schießsports sollte damit auch gleichzeitig die Wehrhaftigkeit der US Bürger erhöhen. Das Führen von Waffen gemäß der Amerikanischen Verfassung war zur damaligen Zeit noch eine Selbstverständlichkeit.

Timeline NRA

Die Phase der Expansion über der erste Hälfte des 20. Jahrhunderts

In den Anfangsjahren beschränkte sich die direkte Ausbildung der NRA zunächst auf einen sehr lokal begrenzten Raum. Ab 1903 wurden diese Bemühungen durch den Generalsekretär der NRA, Albert S. Jones, grundlegend verstärkt. Er forcierte die Bildung von Schießsport- und Schützenvereinen in Universitäten und Militärakademien. Diese Form eines Jugendprogramms erhielt in den „Gewehrklubs“ der Schulen regen Zulauf. Beim jährlichen Schießwettbewerb der NRA nahmen allein 1906 bereits 200 Nachwuchsschützen teil. Die NRA wuchs in den Folgejahren so schnell, dass es notwendig wurde neue, größere Schießanlagen zu errichten. „Camp Perry“ in Ohio zählt noch heute mit großen Schießwettkämpfen zu den bedeutendsten Schießanlagen des Landes.

Die NRA vernetzte sich mit Politik und Militär, indem sie Vorstandsmitglieder durch Verteidigungsminister oder Kommandeure ernennen ließ. Gleichzeitig wurde der Verein zur Ausrichtung der Schießwettkämpfe durch den US-Kongress mit großzügigen Finanzhilfen unterstützt. Waffen der US-Armee konnten außerdem Schützenvereinen und später direkt an NRA Mitglieder überlassen werden. Bis 1920 stieg die Zahl der unter der NRA gegründeten Schützenvereine auf ca. 2000. Die NRA informierte über das Vereinsblatt „The American Rifleman“ ihre Mitglieder über technische Neuerungen und politische Entwicklungen.

Trotz dass der Verein regierungsnah ausgerichtet war, wurde noch keine aktive Lobbyarbeit betrieben. Erst als in den 20er Jahren der Kampf zwischen kriminellen Banden zahlreiche Todesopfer forderte, wurde in den USA über erste nationale Waffengesetze nachgedacht. 1934 erzielte die NRA als Organisation erstmalig einen politischen Einfluss auf den „National Fire Arms Act“ durch eine Briefkampagne. Das erlassene Gesetz wurde in der Folge deutlich in seiner Schärfe gemildert und zog damit kaum spürbare Konsequenzen nach sich.

Nach dem zweiten Weltkrieg wuchsen die Mitgliederzahlen der NRA rasch an. Die NRA beschränkte sich nicht mehr nur auf den Schießsport, sondern zunehmend auf Kursangebote für Jäger. Die Jägerschaft wurde damit eine weitere Zielgruppe des Vereins. Es entstand das Magazin „The American Hunter“. Die Organisation verstand sich nun zunehmend als Ansprechpartner, Interessensvertretung und Stimme aller Waffenbesitzer der USA.

Neuausrichtung zur Waffenlobby zu Beginn der 70er Jahre

Nach den Morden an John F. Kennedy und Martin Luther King wurde 1968 der „Gun Control Act“ erlassen, der den Verkauf von Gewehren nur innerhalb der einzelnen Bundesstaaten zuließ und das Mindestkaufalter auf 21 Jahre festsetzte. In den Folgejahren nahm die NRA offen und bewusst zunehmend Einfluss auf amerikanische Politiker, um noch strengere oder effektivere Waffenkontrollen zu verhindern. Alle Bestrebungen zur Beschränkung oder zur Kontrolle von Besitz, Erwerb, Gebrauch, Handel und Transport wurden von einem Teil der Mitgliedern der NRA als aktiver Angriff auf die Verfassung betrachtet. Daraus resultierte der grundlegende Gedanke die Amerikanische Verfassung und im Schwerpunkt den 2. Zusatzartikel schützen und verteidigen zu müssen.

1975 wurde explizit zu diesem Zweck die ILA („Institute of Legislative Action“) ins Leben gerufen. Unter dem Vorsitz von Harlon Carter sollte mit dieser Abteilung aktiv Einfluss auf die Amerikanische Politik genommen werden. Gesetze sollten dadurch zu Gunsten der Ansichten der NRA beeinflusst werden.

Innerhalb der NRA gab es Streitigkeiten über die zukünftige Ausrichtung der Organisation. Der damalige Vorstand forcierte Pläne einer Stärkung der Schießsportvereine, die Anhänger um Harlon Carter einen Umbau der NRA zur Waffenlobby. Carter sollte sich durchsetzen und 1975 eine völlig neue Ära begründen.

Neben dem Ausbildungsangeboten aller Art konzentrierte sich die NRA nun zunehmend auf die Politik. Die Lobbyarbeit wurde zum wichtigsten Merkmal der Organisation. Gesetzesentwürfe wurden geblockt. Der „Gun Control Act“ wurde über Jahre schließlich durch den „Firearms Owner Protection Act“ 1986 wieder entschärft. Eine zentrale Erfassung von Feuerwaffen wurde veboten, der Erwerb über Privatverkäufer erleichtert und Gewehre durften auch wieder über Bundesstaatsgrenzen hinweg verkauft werden. NRA Mitgliedern in Kongress und Senat gelang es letztendlich eine Mehrheit für das Gesetz zu erstreiten.

Die NRA unterstützte zunehmend Politiker mit Finanzmitteln und Kampagnen, förderte erstmals 1980 einen Präsidentschaftskandidaten oder unterhielt eigene Werbemaßnahmen in Millionenhöhe. Gegen politische Gegner wurden Gegenkampagnen gestartet, Volksentscheide durch Beeinflussung der Bürger in Bundesstaaten konnten entschieden werden, Verbindungen zur Rüstungsindustrie wurden geknüpft und immer wieder die mittlerweile millionenstarke Mitgliedschaft mobilisiert, um gegen schärfere Waffenkontrollen einzutreten.

Karikatur Waffenlobby

Gegenwart – kontrovers und erfolgreich

In Kontroversen, nach Attentaten und Amokläufen (z.B.: Littleton 1999, Virginia Tech 2007, New Town 2012) befand sich die NRA immer wieder im Zentrum massiver Kritik. Konsequent bezog sie Stellung und verteidigte ihre Position unter Berufung auf das verfassungsmäßig deklarierte Recht. Die aktive Lobbyarbeit entwickelte sich auch dadurch zum wichtigsten Betätigungsfeld der NRA.

Mit mittlerweile knapp 4 Millionen Mitgliedern betreibt die NRA weiterhin intensive Ausbildungen für Behörden, Sicherheitstrainings für Familien und Kinder, Kampagnen die den Umgang mit Schusswaffen verbessern sollen und sammelt über die „NRA Foundation“ seit 1990 Geld für solche Zwecke.

RIP by NRA Karikatur

Bei schwankenden Mitgliederzahlen hat die NRA auch heftige Kritik in den letzten 20 Jahren erfolgreich überstanden. Ohne die NRA kann in den USA eine Gesetzgebung in Bezug Schusswaffen nicht mehr erfolgen. Als politische Macht ist sie in den USA fest etabliert und die wichtigste Interessensvertretung, die sich für Waffenbesitzer stark macht.

Blick nach Deutschland

Eine Vereinigung nach Vorbild der NRA würde in Deutschland keinen positiven Nutzen erzeugen. Hierzulande gibt es seit einigen Jahren bereits Vereine wie die „FvLW“ oder „pro-legal“, die als Eingetragene Vereine Lobbyarbeit für Waffenbesitzer versuchen zu betreiben. Als Körperschaft des deutschen Vereinsrecht sind diese Organisationen sehr gut geeignet, um eine justiziable Interessenvertretung vor der deutschen Politik zu betreiben.

Aber bei privatwirtschaftlich organisierten Interessensverbänden, wie der NRA, besteht jedoch die Gefahr gegenüber der Politik nur Partikularinteressen zu vertreten. Zudem ist das Handeln von privatwirtschaftlich organisierten Interessensvertretungen nicht im gleichen Maße justiziable, wie das Handeln von Körperschaften des deutschen Vereinsrecht. Einher geht damit zwangsläufig die öffentliche Kritik, Absichten zu verschleiern und politische Institutionen und Autoritäten unterwandern zu wollen. Auch wenn eine diversifizierte Interessenvertretung hilft demokratische Prozesse zu fördern, würde eine neu geschaffene Vereinigung sich in diesem Spannungsfeld bewegen. Nicht selten werden die Interessenverbände, in Anlehnung an die vierte Gewalt (Medien), als fünfte Gewalt bezeichnet, da diese ebenso wie unsere Medien die Politik beeinflussen. Interessenvertretungen unterliegen im Gegensatz zu den institutionalisierten Gewaltenträgern keiner gesetzlichen Regelung. Somit befindet sich jeder Interessenverband daher im Spannungsfeld zwischen der legitimen Interessenvertretung und der Gefährdung der Demokratie, wie dies teilweise der NRA in den USA vorgeworfen wird. In Deutschland sind solche Verbände öfter gezwungen, den Ansturm öffentlicher und medialer Kritik zu ertragen als eine mit positiven Effekten behaftete Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

Qualifizierte Aus- und Weiterbildungsangebote gibt es in Deutschland in verschiedenen Seminaren, Trainings und Kursen bereits in ausreichender Zahl. So leisten beispielsweise Schützenvereine, Jagdschulen, Schießlehrer, Kreis- und Landesjägerschaften hervorragende Arbeit in der Schulung. Diese Angebote gilt es durch die Dachverbände zu fördern und in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Vereine (e.V.) als Körperschaften sind darüber hinaus bereits Interessensvertretungen. Ihre breit angelegte, aktive Arbeit erzielt bei starken Mitgliederzahlen und einem transparenten Umgang mit Vereinsleben und Öffentlichkeit ein wesentlich stärkeres Echo. Unsere Jagd- und Sportschützenvereine sind auch eine probate Plattform, die Interessen der Gemeinschaft gegenüber dem jeweiligen Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises zu vertreten. Außerdem lässt sich durch ein aktives Vereinsleben ein positiver Effekt für Bürger und Kommunen erzielen, wenn Mehrwerte geschaffen werden.

Daher bedarf es keines Verbandes nach Vorbild der NRA, sondern ein aktiveres Engagement innerhalb unserer bestehenden Vereinsstrukturen und eine intensivere und organisierte Öffentlichkeitsarbeit zur Wahrung eigener Interessen.