Um schnell den Haltepunkt zu verlegen ist ein ballistisches Absehen sehr gut geeignet, da keine „Manipulationen“ an der Optik notwendig sind. Verräterische Bewegungen oder Geräusche können so vermieden und trotzdem ein zielsicherer Schuss auf weite Entfernungen angetragen werden. Auch wenn ein Hirsch sicherlich nicht 200 oder 300 m weit äugt, können Vögel oder anderes Wild in der Nähe des Jägers aufgescheucht werden und den Jäger so verraten.

Die jagdliche Relevanz von ASV und ballistischen Absehen wurde bereits in vorhergehenden Beiträgen erörtert. Innerhalb dieser Artikel haben wir darauf verwiesen, dass neben der Verstellung des Absehens auch die Möglichkeit besteht, ballistische Absehen zum Ausgleich des Geschossfalls zu benutzen. Wie diese benutzt werden und welche Einsatzmöglichkeiten ballistische Absehen bieten, möchten wir gerne im folgenden Beitrag darstellen.

Ausgleich des Geschossabfalls

Der Geschossabfall auf unterschiedliche Entfernungen kann auf mehrere Arten ausgeglichen werden. Die einfachste Variante ist die Nutzung eines durchgehenden Visierbereiches, sprich, man nimmt eine Abweichung der Geschossflugbahn innerhalb eines definierten Raumes billigend in Kauf, um auf möglichst langer Strecke mit nur einem Haltepunkt schießen zu können. Die Einschießmethode hierzu ist das Einschießen der Waffe auf die GEE (Günstige-Einschieß-Entfernung).

Möchte man vordefinierte Abweichungen vom Haltepunkt nicht in Kauf nehmen, kommt man um das Einschießen auf Fleckschuss nicht herum. Ist die Waffe auf Fleckschuß justiert, muss die Absehenlage der Optik auf jede Distanz angepasst werden, die nicht der eingeschossenen Distanz entspricht. Hierfür gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten:

  • Das Nutzen einer ASV,
  • die Nutzung eines ballistischen Absehens
  • oder eine Kombination aus beidem.

Die Nutzung einer ASV ist denkbar simpel; die Grundlagen wurden im ASV-Artikel beschrieben. Ähnliches gilt für die Nutzung von ballistischen Absehen, eine Einführung zum Thema MilDot- und MOA-Absehen ist ebenfalls bereits erfolgt. Aus diesem Grund möchten wir gerne auf folgende Fragestellung genauer eingehen:

Welche Voraussetzungen müssen für die Nutzung eines ballistischen Absehens geschaffen werden?

Die beiden wichtigsten Aspekte für den Umgang mit ballistischen Absehen sind die Frage nach der Absehenlage sowie nach den Maßen des Absehens. Als Voraussetzung für die weiteren Betrachtungen muss bekannt sein, ob das verwendete Absehen in der ersten oder zweiten Bildebene liegt und welche Maße das Absehen hat, dies kann meistens der Packungsbeilage der Optik entnommen werden. Vier Fälle sind bei der Nutzung zu unterscheiden:

  1. Absehen in der ersten Bildebene mit nicht genormten Absehen
  2. Absehen in der ersten Bildebene mit ballistischen Absehen
  3. Absehen in der zweiten Bildebene mit nicht genormten Absehen
  4. Absehen in der zweiten Bildebene mit ballistischen Absehen

In den Fällen 1 und 3 müssen zwangsläufig vor der Nutzung des Absehens, zur Kompensation des Geschossabfalls, die Absehen eingemessen werden. Das Ganze klingt aber schwieriger als es ist. Im Grunde genommen kann jeder 100m-Schießstand hierfür genutzt werden. Zum Einmessen des Absehens werden keine speziellen Hilfsmittel benötigt, wir benutzen lediglich einen Kalenderrücken, den wir mit einem maßigen Kreuz versehen.

Absehen vermessen

Ablauf

Auf dem Kalenderrücken wird einfach ein Kreuz mit 1 m Länge beider Linien gezeichnet und zusätzlich in 5 bis 10 cm Abschnitte unterteilt. Danach wird der Kalenderrücken in 100 m Entfernung aufgehängt. Nun wird die Waffe fest auf dem Anschußtisch eingerichtet und das Absehen über das Kreuz auf dem Kalenderrücken gelegt. So können die Maße für das verwendete Absehen auf der Skala des Kalenderrückens abgelesen werden.

Für Absehen in der ersten Bildebene gelten die ermittelten Maße bei jeder Vergrößerung. Für Absehen in der zweiten Bildebene gelten die Maße nur für die genutzte Vergrößerungseinstellung! Aus diesem Grund ist es sinnvoll, eine Vergrößerungseinstellung zu wählen, bei der die Maße des Absehens möglichst gerade (metrische) Maße ergeben. Die so ermittelte Vergrößerungseinstellung sollte man sich notieren. Für Absehen in der zweiten Bildebene gilt: bei Verdopplung der Vergrößerung halbiert sich der ermittelte Abstand!
Beispiel: Man nutzt ein einfaches Duplexabsehen, bei dem der Abstand zwischen dem dicken äußeren Balken und dem Haltepunkt in der Mitte bei 3-facher Vergrößerung 1,18 m beträgt. Bei einer 6-fachen Vergrößerung entspräche der Abstand dann 0,59 m usw.

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MINOX ZP8 MR10+

Etwas schwieriger wird es bei Absehen in der zweiten Bildebene. In diesem Beispiel wird die Projektwaffe mit einem Zeiss Conquest V6 3-18×50 und einem ZBR-2 Absehen genutzt. Die Waffe wird ebenfalls auf 100 m Fleck angeschossen. Auch in diesem Fall muss auf Ziele in 100 m Entfernung lediglich die Zielmitte angehalten werden, unabhängig davon welche Vergrößerung gewählt wurde. Sollen jedoch Stücke beschossen werden, welche auf 200 m Entfernung stehen, muss auch hier der Geschossfall kompensiert werden. Bei der verwendeten Kombination der Projektwaffe entspricht der Geschossfall auf 200 m genau 12 cm.

Um nun den Geschossfall von 12 cm zu kompensieren, muss eine Haltemarke gefunden werden, welche 12 cm unterhalb des 100 m Haltepunktes liegt. Bei 3facher Vergrößerung entspricht der Abstand zwischen zwei Haltemarken 69,8 cm, folglich entspricht der Abstand bei 17,5facher Vergrößerung 12 cm. Also reicht es zur Kompensation des Geschossfalls die erste Haltemarke unterhalb der 100 m Haltemarke mit 17,5facher Vergrößerung zu wählen.

ZEISS Conquest V6 ZBR-2

Folgende Rechnung liegt dem zu Grunde:

Abstand zwischen zwei Haltemarken bei 3facher Vergrößerung 100 m entspricht 34,9 cm
Auf 200 m:

34,9 cm x 2 = 68,9 cm

Bei welcher Vergrößerung hat der Abstand zwischen zwei Haltemarken 12 cm?

68,9 cm bei 3facher Vergrößerung = 12 cm bei 17facher Vergrößerung
68,9/12 = 5,75
5,75 * 3 = 17,25

Um während der Jagd keinen Notizblock und Taschenrechner herausholen zu müssen, bietet es sich an, übliche Distanz-Vergrößerungs-Kombinationen für jagdlich relevante Distanzen bis 300 m im Vorfeld in 25 m Schritten zu ermitteln.

Überprüfung der Wiederholgenauigkeit des MilDot Absehens

Um die Reproduzierbarkeit bzw. die Widerholgenauigkeit eines MilDot Absehens zu überprüfen kann neben der oben beschriebenen Messmethode auch eine Schießübung, ähnlich der ASV-Schießübung (unten im Text des verlinkten Artikels), durchgeführt werden.

  1. Man nehme eine ausreichend große Zielscheibe (80 cm x 80 cm).
  2. Darauf wird ein 2,9 cm großer Haltepunkt am unteren Rand der Zielscheibe eingezeichnet.
  3. Danach wird die Zielscheibe in 100 m Entfernung aufgehängt und eine Mil-Haltemarke nach der anderen angeschossen.
  4. Im Idealfall liegen die Schußgruppen entlang einer senkrechten Linie im 10 cm Abstand, wenn beispielsweise ein MilDot-Absehen genutzt wird.

Diese Übung kann generell für alle Absehen mit unterschiedlichen Zielmarkierungen sinngemäß angepasst werden.

Fazit

Um schnell den Haltepunkt zu verlegen ist ein ballistisches Absehen sehr gut geeignet. Die Kompensation der ballistischen Kurve der Kugel muss bei dieser Methode jedoch im Kopf erfolgen, daher kommt man nicht umhin, die Ablagen seiner Waffe genau zu kennen. Neben einem kühlen Kopf muss die Waffe exakt eingeschossen sein. Wie immer empfiehlt sich viel Übung vor dem ersten Schuß!

Passende Jagdausrüstung

MINOX ZP5

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