In unserem letzten Artikel haben wir das Projekt „Die Long Range Hunting Büchse 2024“ mit einem allgemeinen Artikel eingeleitet und die wichtigsten Gesichtspunkte für das komplette SetUp dieser speziellen Waffe erklärt. Nun möchten wir etwas konkreter werden, zeigen für welche Optiken wir uns entschieden haben und wieso wir die Wahl getroffen haben.

Jagdliches Zielfernrohr ist nicht gleich Optik für das Long Range Hunting! Auf unseren Seminaren machen wir häufig die Erfahrung, dass viele Jäger mit einer gebräuchlichen Jagdoptik versuchen den Schuss auf weite Distanzen zu wagen, jedoch geraten die meisten Jagdoptiken mit Ende des durchgehenden Visierbereichs (175 bis 200m) an Ihre Grenzen. Wieso ist das so und welche Kriterien sollte eine Optik erfüllen, die den waidgerechten Schuss jenseits der 200m ermöglicht? Der wichtigsten Punkt, den eine Optik für weite Schüsse erfüllen muss ist, dass diese den Schützen dabei unterstützt, den ballistischen Abfall des Geschosses zu kompensieren. Dies kann auf zwei Wegen geschehen:

  1. Mit Hilfe einer Absehenverstellung (Verstelltürme, die eine schnelle Korrektur der Treffpunktlage zulassen) oder
  2. einem Absehen mit Haltemarken für unterschiedliche Entfernungen (bzw. eine Kombination der Punkte 1 und 2).

Die meisten jagdüblichen Optiken haben beides häufig nicht oder sehr rudimentär ausgeprägt. Dabei ist es wichtig die Treffpunktlage auf 250m bis 300m genau korrigieren zu können, da der Geschossabfall bereits ab diesen Entfernungen erheblich ist. Auf der unteren Grafik sehen Sie die ballistische Kurve einer Standard-.308win-Laborierung und die visuelle Übertragung auf einen Wildkörper. Schnell wird klar, dass man bereits ab 190m Entfernung zum Ziel eine Haltepunktkorrektur durchführen muss. Noch offensichtlich wird das Dilemma bei einer Entfernung von 300m.

Ballistischer Abfall .308win bis 300m

Natürlich kann man jetzt sagen: „Ich halte einfach drüber!“ doch wie weit muss man drüberhalten und sind die Referenzpunkt am Wildkörper für das Maß des „Drüberhaltens“ bei jedem Wildkörper gleich? Mit Sicherheit nicht! Aus diesem Grund muss man die Treffpunktlage mittels eines Verstellturms so korrigieren können, dass man wie gewohnt in der Zielmitte anhalten kann. Alternativ kann man ein geeichtes Absehen verwenden, welches das richtige Maß für das Drüberhalten bietet. Gasti hat hierzu auf dem YouTueb Kanal des Deutschen Jagdblog ein Video erstellt:

Zwei weitere Aspekte einer Optik für das Schießen auf weite Distanzen sind der Vergrößerungsbereich sowie die Möglichkeit den Parallaxenfehler zu korrigieren. Den benötigten Vergrößerungsbereich kann man mit Hilfe der Spektivformel ermitteln:

Mittels der Spektivformel kann man errechnen, welche Mindestvergrößerung man benötigt, um ein Objekt mit vordefinierter Größe zu erkennen. Beispiel: Man möchte ein 7mm großen Einschuss auf einer 100m entfernten Scheibe erkennen. Welche Vergrößerung benötige ich mindestens? Folgerung nach einsetzen der Werte in die Spektivformel: Um einen Einschuss einer .308 Win (7mm) auf 100m Entfernung zu erkennen, benötigt man mindestens eine 4-fache Vergrößerung. Möchte ich dasselbe Ziel auf 300m erkennen können, benötigt man eine 12-fache Vergrößerung u.s.w. Am Ende sind die Vergrößerungsbereiche durch den Hersteller vorgegeben und reichen häufig von 4-20- oder 5-25-fach, was auch ein gutes Maß für eine Long Range Optik ist.

Mit zunehmender Entfernung wird auch der Parallaxenfehler stärker (Parallaxenfehler = die Verschiebung der Augenlinie gegenüber der optischen Linie des ZF). Um diesen Fehler auszuschließen, benötigt man einen sog. Parallaxenausgleich, der i.d.R. stufenlos einstellbar von 50m bis ∞ ist.

Für welche Optiken haben wir uns entschieden?

Um durch das Projekt eine größere Bandbreite unterschiedlicher Optiken in unterschiedlichen Preiskategorien abdecken zu können, haben wir uns für zwei Produkte aus dem Hause MINOX entschieden, die beide alle genannten Kriterien erfüllen. Folgende Gläser haben es in unser Büchsenprojekt 2024 geschafft:

  • MINOX ZP5 5-25×56 PRO mit MR4 Absehen
  • MINOX 5-25×56 LR ebenfalls mit MR4 Absehen

Beide Optiken verfügen über Verstelltürme und einen Parallaxenausgleich sowie eine Absehenbbeleuchtung. Somit haben wir alle grundliegenden Kriterien abgedeckt. Wieso nun diese beiden Optiken, die preislich weit auseinander liegen? Die ZP Baureihe von MINOX ist für behördliche Anwender gedacht und dementsprechend robust (MIL-SPEC-Standard) konstruiert, was sich selbstverständlich im Preis niederschlägt. Zudem sind die Bedienelemente der ZP Baureihe an die Bedürfnisse behördlicher Anwender angepasst. So sind z.B. die Verstelltürme schwergängiger und auf die Benutzung mit Handschuhen optimiert. Der Dioptrinausgleich kann gesperrt werden und die Linsenvergütung wurde nach militärischen Vorgaben vorgenommen.

Bei der LR Baureihe hat man sich hingegen an den Anforderungen von Sportschützen orientiert und deutlich leichtgängigere Verstelltürme verbaut. Der Dioptrinausgleich ist nicht sperrbar und die Linsenvergütung filtern nicht das IR-Licht heraus, was dem Einsatz von Nachsatzgeräte zugutekommt.

Was beide Optiken gemeinsam haben, ist ein MR4/ MR4 Pro MIL-Absehen. Der Unterschied zwischen dem MR4 und dem MR4 Pro Absehen ist der zusätzliche Messrahmen beim MR4 Pro Absehen. Mit Hilfe dieses Absehens kann man das Maß für das Drüberhalten sehr gut einschätzen und sogar eine Windkorrektur vornehmen. Möchte man mit der oben beschriebenen Patrone auf 300m treffen so muss 1,6 MIL höher anhalten (Pfeil runter). Hat man nun einen Wind mit 6 m/s von links und möchte diesen zusätzlich korrigieren, muss man nach rechts korrigieren (Pfeil nach rechts). Dieses Grundprinzip des Arbeitens mit dem Absehen setzt jedoch voraus, dass man die rechnerischen Haltepunkte kennt und auf das Absehen übertragen kann. Möchte man nicht über das Absehen arbeiten, hat bei beiden genannten Gläsern die Möglichkeit über zwei Verstelltürme die Korrekturen vorzunehmen.

Bald kommt die Praxis!

Die oben beschriebenen Sachverhalte sind zunächst sehr theoretisch und für viele erstmal wenig greifbar. Auf dem YouTube Kanal des Deutschen Jagdblog haben wir ergänzende Videos zu diesen Sachverhalten erstellt, die vieles visualisieren. Unterm Strich sollte aber stehen, dass man mit einer gebräuchlichen Jagdoptik auf 300m wahrscheinlich schlechte Ergebnisse erzielt. Die Auswahl der Optik ist für das Schießen auf weite Distanzen fast wichtiger als die Waffe, da die Optik als Verbindungsglied zwischen Mensch und Waffe fungiert und über das Treffen maßgeblich entscheidet. Wir empfehlen das genannte Video anzuschauen und zu verstehen, denn im nächsten Teil der Artikelserie wollen wir zunehmend in die Praxis gehen und zeigen, wie man mit Optik und Gewehr arbeitet.

Nebenbemerkung: Anhand der beiden genannten Optiken sieht man, dass man nicht immer tief in die Tasche greifen muss, um eine geeignete Optik zu finden. Die LR Baureihe ist deutlich günstiger als ZP Baureihe, erfüllt jedoch bereits ein breites Spektrum der Anforderungen an eine Long Range Optik. Der wesentliche Unterschied der etwas günstigeren Optiken zu den teuren liegt in den „Robustheitsstandard“ und den damit einhergehenden höherem Fertigungsaufwand. Kann man auf eine Optik, die allen militärischen Ansprüchen standhält verzichten (weil man die Optik nicht zu sehr quält), ist der Einsatz einer günstigeren Optik für die Jagd ebenfalls denkbar.

Das Absehen sollte, wie oben bereits erwähnt, auf den sog. MILRADIANT geeicht sein, da dieser das Rechnen im metrischen System erleichtert. Weiterhin sollten Sie drauf achten, dass Verstelleinheiten der Türme im metrischen System sind bzw. MIL-Verstellschritten entsprechen. Auf diese Weise stellen Sie sicher, dass die Verstellung der Türme mit den Maßen des Absehens zusammenpassen. Gasti und Andi haben ein Video zu den beiden optiken erstellt, in welchen Tests zur Wiederholgenauigkeit durchgeführt werden. Zusätzliche werden in dem Video allgemeine Sachverhalte zum Einschießen von Zielfernrohren erläutert:

Passende Jagdausrüstung

MINOX ZP5

MINOX LR

MINOX LR 5-25

Zero Compromise ZC Hunter

ZC Hunter Universaloptik

ZC420

ZC420 4-20×50 Long Range