Die Jagd und die Naturfotografie leben vom Moment der Nähe. Doch genau dieser Moment setzt voraus, dass der Mensch in der Natur nicht auffällt. Wildtiere besitzen ausgeprägte Sinne, die auf kleinste Bewegungen, Geräusche oder optische Reize reagieren. Wer sich also effektiv im Revier oder im Lebensraum der Tiere bewegen will, kommt an einer durchdachten Tarnung nicht vorbei. Besonders bewährt hat sich dabei ein Mittel aus dem militärischen Bereich: der Ghillie Suit. Diese dreidimensionale Tarnkleidung ermöglicht es Jägern und Fotografen, nahezu unsichtbar mit der Umgebung zu verschmelzen.
Was ist ein Ghillie Suit?
Der Begriff „Ghillie“ stammt aus dem Schottischen und bezeichnete ursprünglich Wildhüter, die sich zur Jagd tarnen mussten. Der Ghillie Suit, wie wir ihn heute kennen, wurde im 20. Jahrhundert vom Militär adaptiert, insbesondere von Scharfschützen-Einheiten. Die Grundidee: die Kontur des menschlichen Körpers optisch aufzulösen und so unbemerkt im Gelände zu verschwinden. Diesen Gedanken griffen bereits die frühen Menschen auf und tarnten sich als andere Tiere oder nutzen die Vegetation.
Ein Ghillie Suit besteht meist aus einem Netz- oder Stoffunterzug, auf den Fäden aus Jute, Sisal, Stoffbändern oder künstlichem Laub befestigt werden. Durch die unregelmäßige Oberfläche wird das Licht gestreut, die Silhouette gebrochen und das Erkennen für Wildtiere massiv erschwert. Im Unterschied zu einfacher Tarnkleidung, die nur auf Farbanpassung setzt, erzeugt der Ghillie Suit eine echte 3D-Tarnung – besonders effektiv in Vegetation mit hohem Deckungsgrad.
Einsatz bei der Jagd
Für die Pirsch, den Ansitz oder auch die Rufjagd kann ein Ghillie Suit eine echte Bereicherung sein. Gerade bei scheuem Wild wie Rehen, Sauen oder Füchsen erlaubt er eine Annäherung auf kurze Distanzen. Die typische Silhouette eines Menschen, die das Wild oft schon auf hunderte Meter erkennt, wird durch den Ghillie Suit so gut wie unsichtbar.
Allerdings sollte der Einsatz mit Bedacht erfolgen. Bei Bewegungsjagden oder Gesellschaftsjagden ist eine vollständige Tarnung aus Sicherheitsgründen nicht empfehlenswert. Hier muss die Sichtbarkeit gegenüber Mitjägern stets gewährleistet sein. Auf dem Einzelansitz oder bei der Pirsch im eigenen Revier hingegen kann der Ghillie Suit seine Stärken voll ausspielen. Wichtig: Auch Hände, Gesicht und Kopfbedeckung sollten getarnt sein, da diese Flächen besonders stark reflektieren und auffallen.
Praktische Tipps:
- Immer mit dem Wind oder halbem Wind pirschen.
- Bewegungen langsam und ruckfrei ausführen.
- Waffe und Ausrüstung innerhalb der Körperkontur bewegen.
- Helle Hintergründe vermeiden, lieber im Schatten pirschen.
- Lodenkleidung unter dem Ghillie fördert geräuscharme Fortbewegung.
Einsatz in der Naturfotografie
Auch Naturfotografen profitieren vom Ghillie Suit. Wer sich Tieren auf unter 10 Meter nähern möchte, braucht absolute Tarnung. Besonders bei Vögeln, Kaninchen oder seltenem Niederwild zeigt sich die Wirksamkeit. Der Ghillie Suit hilft dabei, stundenlang still an einem Ort zu verweilen, ohne als Störfaktor wahrgenommen zu werden.
Ergänzt wird der Ghillie Suit im fotografischen Bereich oft durch ein leichtes Tarnzelt, ein Monopod oder eine Sitzunterlage. Fotografen sollten auf möglichst geräuscharme Materialien achten und auch ihre Kamera entsprechend tarnen, um Reflexionen und Kanten zu vermeiden.
Hinweise für Fotografen:
- Objektive mit Camouflage-Tape oder Tarnsocken überziehen.
- In den Morgen- oder Abendstunden ist die Wirkung der Tarnung besonders hoch.
- Geräuschlose Bewegungen beim Scharfstellen oder Wechseln der Ausrüstung trainieren.
Kauf oder DIY?
Ghillie Suits gibt es in verschiedenen Preisklassen und Varianten. Fertigmodelle von Herstellern wie Helikon-Tex oder Mil-Tec setzen auf synthetische Fasern, die leichter, wasserabweisender und oft auch schwer entflammbar sind. Diese eignen sich für den regelmäßigen Einsatz und bieten hohen Komfort.
Der Selbstbau ist hingegen günstiger und individueller. Benötigt wird ein Netzstoff (z. B. ein alter Tarnponcho), Jutestreifen oder künstliches Laub in naturnahen Farben sowie Nadel und Faden oder Kabelbinder. Wichtig ist, die Fasern unregelmäßig und in mehreren Ebenen anzubringen, um einen möglichst natürlichen Effekt zu erzielen.
Pflege:
- Nach jedem Einsatz ausschütteln und trocknen lassen.
- Niemals in der Waschmaschine reinigen.
- Juteanteile gelegentlich nachfärben oder ersetzen.
- Trocken lagern, um Schimmelbildung zu vermeiden.
Grenzen der Tarnung
So effektiv ein Ghillie Suit auch ist, er ersetzt nicht die grundlegenden Regeln des Verhaltens im Revier. Wildtiere nehmen Bewegungen, Geräusche und vor allem Gerüche äußerst sensibel wahr. Daher ist ein geräuscharmes und geruchsneutrales Vorgehen unabdingbar. Auch der Wind bleibt ein entscheidender Faktor: Kommt die Witterung falsch, hilft auch der beste Tarnanzug nichts.
Ergänzend oder alternativ nutzbar:
- Tarnzelte mit Guckfenstern
- Camouflage-Make-up für Gesicht und Hände
- Geruchsneutrale Waschmittel und Aufbewahrung in luftdichten Behältern
Fazit
Der Ghillie Suit ist ein leistungsfähiges Hilfsmittel für alle, die sich in der Natur unauffällig bewegen wollen. Ob auf der Pirsch, beim Ansitz oder bei der Tierfotografie – seine Wirkung ist beeindruckend. Voraussetzung ist jedoch der richtige Umgang: langsame Bewegung, Geruchskontrolle und Respekt vor dem Wild sind unabdingbar. Wer diese Regeln beachtet und seinen Ghillie Suit sinnvoll einsetzt, wird mit unvergleichlichen Naturbegegnungen belohnt. Für ambitionierte Jäger und Naturfotografen ist der Tarnanzug damit ein echtes Muss im Revierrucksack.
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