Ein sauberer Schuss auf 100 Meter ist die Grundlage für jeden Jäger – doch wie sieht es auf 300 Meter aus? Welche technischen und schießpraktischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um auch auf weite Entfernungen präzise und waidgerecht zu treffen? In diesem Artikel fassen wir die Erkenntnisse aus zahlreichen Seminaren, praktischen Versuchen und hunderten dokumentierten Schüssen zusammen. Wir kombinieren klassische Methoden wie die Schusstafel mit modernen Ansätzen zur Geschossflugbahn-Visualisierung über Tapete und analysieren, welche Rolle Munition, Geschossgeschwindigkeit und Wundballistik auf 300 Meter tatsächlich spielen.
Die Grundlage: Kontrolle auf 100 Meter
Bevor wir über 200 oder 300 Meter sprechen, müssen wir sicherstellen, dass unsere Waffe auf 100 Meter reproduzierbar trifft. Als Richtwert gilt: Ein Streukreis von unter 2,9 cm auf 100 Meter bildet die Basis. Nur wenn diese Kontrolle steht, macht es Sinn, die Reichweite systematisch zu erweitern. Zudem sollte man die eigene Optik justieren können und wissen, wie man eine Waffe einschießt. Gasti hat hierzu auf unserem YouTube Kanal ein Video veröffentlicht:
Die Schusstafel: Tapeten statt Einzelblätter
Früher haben wir unsere Schusstafeln aus einzelnen DIN-A4-Zielen aufgebaut. Heute nutzen wir Tapetenrücken mit Koordinatensystemen. So lassen sich nicht nur die mittleren Treffpunkte, sondern auch die reale Flugbahn einer Waffen-Munitions-Kombination visuell nachvollziehen. Vorgehen:
- Einschießen der Waffe auf 4 cm hoch auf 100 Meter oder Fleck falls die Waffe einen Verstellturm hat
- Schussgruppen auf 100, 200 und 300 Meter mit gleichem Haltepunkt
- Markierung der mittleren Treffpunktlage auf Tapete bzw. mittels der Range Buddy App
- Übertragung der vertikalen Ablagen ins Koordinatensystem oder auf eine händisch eingetragene Visualisierung
Besonders wertvoll ist diese Methode, weil sie auch Schützenstreuung abbildet. So lassen sich realistische Grenzen der Waidgerechtigkeit ableiten, gerade bei Streukreisen auf 300 Meter.
Munition auf 300 Meter: Geschwindigkeit, Stabilität und Wirkung
Ein entscheidender Aspekt, der in der Theorie oft vernachlässigt wird, ist die reale Mündungsgeschwindigkeit und deren Einfluss auf Treffpunktlage und Wundwirkung. Bei unseren Seminaren messen wir mit modernen Chronographen die Geschossgeschwindigkeit auch auf größeren Distanzen.
Beispiel: Ein .308 Win Geschoss (z. B. 165 grs Geco Plus) startet mit ca. 800 m/s an der Mündung. Auf 300 Meter liegt die Geschwindigkeit meist noch bei 580–600 m/s – je nach Lauf, Munition und Luftdichte.
Warum ist das wichtig?
- Geschossstabilität: Unter 550 m/s können einige Deformationsgeschosse nicht mehr korrekt wirken.
- Wundballistik: Reine Deformationsgeschosse müssen ausreichend Geschwindigkeit mitbringen, um zu pilzen und eine tödliche Wundhöhle zu erzeugen. Bei Teilzerlegern oder monolithischen Geschossen spielt die Restgeschwindigkeit eine ebenso zentrale Rolle.
- Turmverstellung: Die ballistischen Korrekturen über ASV (Absehenschnellverstellung) beruhen auf der Kenntnis der Geschossgeschwindigkeit – ohne exakte Messung wird der Turm zur Unsicherheitsquelle.
Praxis-Tipp: Führe bei deiner Trainingsserie eine Geschwindigkeitsmessung durch – idealerweise 3–5 Messungen pro Munitionstyp. Du wirst staunen, wie stark die Abweichungen selbst innerhalb eines Loses sein können.

Waidgerechtigkeit auf 300 Meter: Eine Frage der Energie
Neben der Treffpunktlage ist entscheidend, ob das Geschoss überhaupt noch genug Energie besitzt, um eine tödliche Wirkung zu erzielen. Als Faustformel gelten:
- Mindestens 1.000 Joule für Rehwild
- Mindestens 2.000 Joule für großes Schalenwild (z. B. Keiler, Damwild, Hirsch)
Ein Standard .308 Win Geschoss (z. B. Geco Plus 11,0 g) bringt auf 300 Meter gerade noch rund 1.400 Joule – bei Treffpunktlage im Kammerbereich ist ein tödlicher Schuss möglich, jedoch mit erhöhtem Risiko bei weniger optimalem Sitz. Gerade im Hinblick auf Fangschusssituationen oder Schüsse auf großes Wild empfiehlt sich hier der Einsatz leistungsstärkerer Kaliber oder moderner Hochleistungsgeschosse (PRC Kaliber).
Fazit
Das Schießen auf 300 Meter ist machbar – aber nur unter klar definierten Voraussetzungen. Ein gut dokumentierter Streukreis auf 100 Meter, eine individuell erstellte Tapeten-Schusstafel, exakte Geschwindigkeitsmessung der Munition und eine kritische Beurteilung der Wundwirkung sind essenziell. Wer dies beachtet, kann auch auf 300 Meter waidgerecht jagen. Wer jedoch einfach nur „mal draufhält“, riskiert Krankschüsse – und das sollte kein Jäger verantworten.
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