Anfang August war es so weit: Gemeinsam mit Moritz Mayr von Alpinprecision ging es auf eine mehrtägige Pirschjagd auf Sommergams. Der Aufstieg begann noch im Dunkeln, die Waffe fest verzurrt, das Spektiv im Rucksack. Bereits kurz nach Sonnenaufgang war klar: Diese Jagd wird mehr fordern als ein sicherer Schuss. Sie verlangt nach Scharfsinn, alpinem Gespür und physischer Ausdauer. Die Gamsjagd im Sommer ist nicht nur landschaftlich ein Highlight – sie ist die hohe Kunst der Pirsch.
Die Faszination Sommergams
Die Gamsjagd zählt zu den eindrucksvollsten jagdlichen Herausforderungen. Sie verbindet anspruchsvolles Terrain mit sensibler Wildart. Während die Winterjagd durch Kälte und Schneetarnung geprägt ist, führt die Sommergamsjagd in lichte Hochlagen über die Waldgrenze. Dort, wo Wind, Sonne und Hanglage ständig neue Bedingungen schaffen.
Im Hochsommer leben Gamsrudel (Geraffel) in Gruppen, angeführt von einer Kitzgeiß (Gamsgeiß). Mittendrin junge Böcke und mittelalte Tiere. Alte Böcke und Geißen hingegen sind oft einzeln oder in kleinen Trupps unterwegs. Die Wildbeobachtung zeigt: Am frühen Morgen und späten Nachmittag wechseln die Tiere aus ihren Einständen in die nahrungsreichen Hanglagen. Mittags folgt die Ruhephase im Schatten.
Taktik am Hang: Lesen statt Laufen
Gamswild ist wachsam. Weniger über das Äugen, sondern über Wind und Geäusche. Wer sich im Gebirge bewegt, sollte wie Wasser fließen: leise, angepasst, mit dem Hang lesend. Der Wind ist alles. Besonders im Sommer, wenn Thermik und Fallwind ständig wechseln.
Der Ansatz: Beobachten statt blind pirschen. Ansitze an bekannten Wechseln, Kessel und Kare zur Dämmerung versprechen mehr Erfolg als hektisches Umhersteigen. Ein gutes Spektiv hilft, Rudel zu lesen, Geißen zu erkennen und schwache Stücke auszumachen. Nur wer überlegt handelt, kommt zur Schusschance.
Ein sicherer Schuss auf Gamswild verlangt mehr als einen flachen Schießstand. Steiler Winkel, wechselnder Wind und unebener Stand machen den Unterschied.
Der Winkelschuss – keine Magie, sondern Physik
Der Winkelschuss folgt dem Cosinus-Gesetz: Je steiler der Schuss, desto kürzer wirkt die Distanz. Eine Gams auf 300 Meter in 45° Winkel entspricht ballistisch nur ~212 Meter. Wer seine GEE (Günstigste Einschuss-Entfernung) kennt, muss in den meisten Fällen nicht einmal den Haltepunkt verlagern. Dennoch: Bei Winkel über 20° sollte man seine Treffpunktlage überprüfen oder besser trainieren.
Shotplacement im Hang
Wie immer gilt: Doppellungenschuss ist das Ziel. Doch im Winkel verschiebt sich der Haltepunkt. Besonders bei schräg stehender Gams oder seitlichem Einschuss aus erhöhter Position muss das Absehen korrigiert werden. In steilen Winkeln ist der Treffpunkt oft höher als angehalten. Hier hilft nur Übung, z. B. auf dem 3D-Parcours oder im Schießkino mit Neigungsoption.
Ausrüstung für die Sommergamsjagd
Der Berg verzeiht keine Leichtsinnigkeit. Neben Kondition ist vor allem eine durchdachte Ausrüstung entscheidend:
- Rucksack: leicht, kompakt, dennoch Platz für Spektiv, Verpflegung, Regenjacke. Wir hatten einen leichten Rucksack von EXO Mountengear sowie den Gladiator von HEP Carbon dabei.
- Waffe: leicht, rasant, präzise. Kaliberwahl: z. B. 6.5 Creedmoor, 6.5 PRC etc. mit flacher Flugbahn. Wir hatten die 7mm PRC von Alpin Precision und die ORS-1 in 6.5 PRC von PEACE dabei.
- Zieloptik: ideal 2-12×50 mit Ballistikturm und gut ablesbarem Absehen. Unsere Wahl ist auf ein ZCO420 und ein Schmidt und Bender PM II 5-25 gefallen.
- Zielstock oder Bipod: für den weiten, sicheren Schuss im Sitzen oder liegend
- Kleidung: atmungsaktiv, winddicht, mit gutem Schuhwerk und Trittsicherheit
- Technik: Laser-Entfernungsmesser mit Winkelkorrektur (Accolade PULSAR), ggf. Ballistik-App
Erlebnisbericht mit Moritz Mayr (Alpinprecision)
Wir stiegen im ersten Licht auf, der Tag versprach heiß zu werden. Schon beim ersten Kessel zeigte sich ein Trupp Gamsgeißen mit Kitz. Mit dem WBG filterten wir zwei schwache Jährlingsböcke heraus. Der Wind stand gut, aber der Hang war blank. Wir entschieden uns für einen Wechselhang.
Gegen 09:20 entdeckten wir einen mittelalten Bock, rund 240 Meter entfernt. Sitzend aufgelegt mit Zielstock, ein klarer Haltepunkt, der Wind blieb stabil. Der Schuss brach sauber. Die Gams zeichnete kaum, fiel jedoch nach wenigen Sprüngen. Das Bergungsteam bestand aus uns beiden – und 600 Höhenmeter Rückweg. Doch mit leichtem Wild und vollem Rucksack war es eine Jagd, wie sie im Buche steht.
Fazit: Hochgebirgsjagd ist Jagdkunst
Die Gamsjagd im Sommer ist mehr als ein Ausflug in schöner Kulisse. Sie ist eine Lektion in Demut, Planung und Entscheidungskraft. Wer Wind, Wild und Winkel lesen kann, wird belohnt – mit einzigartigen Erlebnissen und ehrlicher Strecke. Danke an Moritz Mayr für seine Expertise und die alpine Kameradschaft.
Wir werden in einem Folgeartikel die Wintergams behandeln sowie eine eigene Beitragsreihe zu Kaliberwahl, Ausrüstung und Schießtechnik im Hochgebirge starten.
Waidmannsheil & Berg frei!
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