Wildtiere beobachten, ohne sie zu stören – für viele Jäger, Naturfreunde und Wildbiologen ein zentrales Anliegen. Moderne Drohnentechnik hat diesen Wunsch in den letzten Jahren ein großes Stück realistischer gemacht. Doch mit dem Aufkommen sogenannter FPV-Drohnen (First Person View) ergeben sich völlig neue Möglichkeiten – und ebenso neue Herausforderungen.
Während klassische Drohnen oft mit GPS-Unterstützung weitestgehend automatisiert fliegen, erlaubt die FPV-Technologie eine unmittelbare, nahezu verzögerungsfreie Steuerung aus der Ich-Perspektive. Was im Freizeitbereich längst eine feste Größe ist, wird nun zunehmend auch im jagdlichen Kontext diskutiert. Doch wie sinnvoll ist der Einsatz von FPV-Drohnen in der Wildbeobachtung wirklich? Welche Vorteile bietet die Technik – und welche Grenzen setzt uns das Recht?
In diesem Artikel gehen wir auf beide Seiten ein: die Chancen der FPV-Technologie für die Wildbeobachtung sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen, die besonders Jäger und Outdoor-Nutzer kennen sollten.
Was ist eine FPV-Drohne überhaupt?
FPV steht für First Person View, also „Ich-Perspektive“. Dabei überträgt eine Kamera an Bord der Drohne das Livebild direkt in eine spezielle Videobrille, die der Pilot trägt. Der Steuerer sieht also das, was die Drohne sieht – und fliegt entsprechend sehr präzise, wendig und intuitiv. Im Gegensatz zu klassischen Kameradrohnen, wie sie etwa bei der Kitzrettung mit Wärmebild zum Einsatz kommen, sind FPV-Drohnen oft deutlich kleiner, leichter, agiler – und nicht automatisch stabilisiert.
Viele FPV-Drohnen sind Eigenbauten oder individuell modifiziert, was ihre Leistungsfähigkeit in engen, verwinkelten Umgebungen (z. B. Wald) erhöht. Die Steuerung erfolgt in der Regel manuell über einen Controller, ohne GPS-Assistenz – was gleichzeitig Freiheit und Herausforderung bedeutet.
Vorteile von FPV-Drohnen in der Wildbeobachtung
1. Unauffällige Annäherung
Dank ihrer kompakten Bauweise und ihres leisen Flugverhaltens lassen sich FPV-Drohnen – richtig eingesetzt – vergleichsweise unauffällig bewegen. In den frühen Morgenstunden oder in der Dämmerung, wenn viele Wildarten aktiv sind, können sie in sicherer Entfernung fliegen und dennoch sehr nah „sehen“.
2. Perspektivwechsel für Forschung und Beobachtung
Gerade für Naturfilmer oder Wildbiologen bietet die FPV-Technik völlig neue Blickwinkel. So kann man etwa Flugaufnahmen knapp über Baumwipfel oder durch offene Waldschneisen machen, ohne sich selbst bewegen zu müssen. Dies eröffnet nicht nur spannende neue Perspektiven für die Dokumentation, sondern auch für die wissenschaftliche Arbeit (z. B. Tierzählungen, Verhaltensbeobachtung).
3. Navigation in schwer zugänglichem Gelände
FPV-Drohnen können sich auch dort bewegen, wo Menschen nur schwer hinkommen: in steilen Hanglagen, Dickungen oder überschwemmten Bereichen. Besonders in feuchtem Terrain können sie ein echtes Hilfsmittel sein, ohne dass man das Gelände selbst betreten muss.
4. Echtzeit-Reaktion
Da die Steuerung direkt und ohne Latenz erfolgt, lassen sich Flugmanöver in Echtzeit anpassen. Reagiert ein Tier auf das Flugobjekt, kann der Pilot die Route sofort ändern – ein klarer Vorteil gegenüber GPS-Flugrouten.
Herausforderungen und Grenzen – aus Sicht des Tierschutzes
1. Stressfaktor für Wildtiere
So präzise und „leise“ FPV-Drohnen auch sein mögen: Sie bleiben ein fremdes Flugobjekt im Luftraum. Vor allem bei unsachgemäßem Einsatz (z. B. zu nahe, zu schnell, zu oft) kann es zu Stressreaktionen kommen – etwa Flucht, Herzfrequenzsteigerung oder Verlust des Tagesrhythmus. Dies ist besonders in den sensiblen Phasen der Jungenaufzucht oder Winterruhe zu vermeiden.
2. Kein Ersatz für jagdethische Zurückhaltung
Der Wunsch, Tiere möglichst nah und ausdrucksstark zu filmen, darf nicht dazu führen, dass man ihnen zu nahe kommt. Gerade weil FPV-Drohnen viel Kontrolle bieten, besteht die Gefahr, dass Grenzen ausgereizt werden. Hier ist jagdliche Zurückhaltung gefragt.
3. Sichtverbindung fehlt – was sagt das Gesetz?
Einer der Knackpunkte beim Einsatz von FPV-Drohnen liegt in der rechtlichen Definition des Sichtflugs. Denn laut EU-Drohnenverordnung (DVO (EU) 2019/947) darf der Drohnenbetrieb in der offenen Kategorie nur dann erfolgen, wenn der Pilot das Fluggerät jederzeit mit bloßem Auge sehen kann – was beim Tragen einer FPV-Brille nicht gegeben ist.
Rechtliche Grundlagen – was erlaubt ist und was nicht
FPV-Drohnen und die „offene Kategorie“
In der Regel bewegen sich Freizeitnutzer und Naturbeobachter im offenen Betrieb. Dieser erlaubt Flüge mit Drohnen bis 25 kg unter klaren Bedingungen:
- Max. Flughöhe: 120 m
- Keine Flüge über Menschenmengen
- Kein Transport gefährlicher Güter
- Direkte Sichtverbindung (Visual Line of Sight, VLOS) ist Pflicht
Beim FPV-Flug liegt streng genommen kein VLOS vor – es sei denn, es ist ein zweiter Beobachter (Spotter) vor Ort, der die Drohne visuell im Blick behält und mit dem Piloten kommuniziert. Diese Kombination ist dann in der Unterkategorie A3 zulässig – also in möglichst unbewohntem Gebiet, mit 150 m Abstand zu Personen, Gebäuden und Straßen.
Alternative: Spezielle Kategorie mit Betriebsgenehmigung
Wer regelmäßig außerhalb der Sichtweite (BVLOS) fliegen oder bestimmte Manöver durchführen möchte, muss in die spezielle Kategorie wechseln. Diese erfordert:
- Eine Risikobewertung (SORA oder PDRA)
- Ggf. ein Standardszenario (STS-01 oder STS-02)
- Ein erweitertes Fernpilotenzeugnis (z. B. STS bei Kopter-Profi)
Weitere Regelungen für den jagdlichen Kontext
- Natur- und Tierschutzgesetze: In Schutzgebieten, zur Brutzeit oder während der Schonzeiten gelten zusätzliche Einschränkungen.
- Landesjagdgesetze: Der Einsatz technischer Hilfsmittel zur aktiven Jagdausübung ist in vielen Bundesländern reglementiert oder verboten.
- Privatgelände: Überflug nur mit Erlaubnis des Grundstückseigentümers.
- LuftVO §21h: Geografische Zonen, z. B. über Wohngebieten, Bundesstraßen oder Naturschutzflächen, müssen beachtet werden (siehe https://www.dipul.de).
Praxistipps für den tierschutzgerechten Einsatz
- Immer mit Spotter fliegen, wenn eine Brille getragen wird – nur so ist der FPV-Flug in der offenen Kategorie erlaubt.
- Flughöhe anpassen: Je höher der Flug, desto geringer der Störeffekt.
- Leise Propeller und niedrige Drehzahlen verwenden, um Lärm zu vermeiden.
- Nicht zu nah an Wild heranfliegen – Abstand bewahren und Flugrichtung rechtzeitig ändern.
- Vorab Erlaubnis einholen, wenn auf fremdem Grund oder in sensiblen Zonen geflogen wird.
- Jagdzeiten, Setzzeiten und Brutzeiten beachten, um Störungen zu vermeiden.
Fazit
Der Einsatz von FPV-Drohnen in der Wildbeobachtung bietet faszinierende Möglichkeiten – sowohl für Hobbyfilmer als auch für wissenschaftliche Zwecke. Die Technik erlaubt neue Perspektiven, flexiblen Einsatz in unzugänglichem Gelände und ein intensives Naturerlebnis aus der Luft.
Gleichzeitig verlangt sie einen besonders achtsamen und rechtssicheren Umgang. Denn wer mit FPV-Brille fliegt, verlässt juristisch schnell den Bereich des Sichtfluges – und bewegt sich im Spannungsfeld von Luftrecht, Naturschutz und Ethik.
Wer diese Punkte jedoch ernst nimmt, sich rechtzeitig informiert und verantwortungsbewusst handelt, kann mit FPV-Drohnen ein zusätzliches Werkzeug zur respektvollen, faszinierenden Wildbeobachtung in der Natur nutzen – mit Weitblick, Technikverstand und Herz für das Wild.
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